Projekte als Sichtbarmachung der künstlerischen Idee
Als Künstlerin suche ich in erster Linie nach der „vollkommenen“ Idee und erst dann nach einer möglichen Darstellung. Nicht ich selbst als ausführende Künstlerin sondern meine Idee soll als solche perfekt sein. Meine Unvollkommenheit ist meine Triebkraft und sie soll sich als Anziehungskraft, Rätselhaftigkeit und Neugierweckung dem Betrachter aufdrängen, in ihn eindringen und ein Gefühl, eine Auseinandersetzung mit dem Werk erzwingen. Nur diese Auseinandersetzung mit dem Betrachter benötigt eine materielle Sichtbarmachung der künstlerischen Idee.
Projekte sind somit meine ständigen Wegbegleiter und meist sind sie untrennbar an ein Konzept geknüpft. Meine Gedanken, die ständig in meinem Kopf herumschwirren, bündeln sich in künstlerischen Ideen, die dann wieder in Konzepte münden und als Projekte verwirklicht werden. Dieser letzte Schritt ist nicht zwingend notwendig (conceptual art).
Art Diary – das PROJEKT – ein Selbstversuch
Das Art Diary ist ein seit 2014 bestehendes Projekt. Da es mittlerweile den Rahmen dieser Projekte-Konzepte-Seite sprengt, habe ich jedes Jahr als einzelne Beiträge sozusagen ausquartiert. Das dahinterstehende Konzept ist in der Einführung zum Art Diary 2014 beschrieben und zieht sich durch alle Art Diaries, auch wenn es nicht mehr so genau im Detail erwähnt wird. Jedes Art Diary greift neben der Fotografie noch einen neuen Schwerpunkt „als Mittel zur Konzepterfüllung“ auf:
- Art Diary 2014: Digital-Art
- Art Diary 2015: Intagliotypie
- Art Diary 2016: Folienlithografie
- Art Diary 2017: Siebdruck
- Art Diary 2018: Künstlerbuch
- Art Diary 2019: dailypoetry
- Art Diary 2020: mnmlsm / minimalism
- Art Diary 2021: zhi dao – der rechte Weg
- Art Diary 2022: das lang same reifen
- Art Diary 2023: moving through time and space
- Art Diary 2024: wind blowing grasses
Textgenerator
spiel und zeitvertreib – generierte zufallstexte 1-141, 2016 / 2017
Ausgangspunkt meines Konzepts / Projekts war die sprachtextliche Eigenart des Autors James Salter in seinem Roman „Ein Spiel und ein Zeitvertreib“, Rowohlt 2000. Salter verwendet viele kurze, abgehackte Sätze, er springt mit seinen Gedanken und spielt mit dem Sein der Wirklichkeit und dem Schein der Fiktion. Schon seit 2015 veranlasste mich Salters Art zu meinen Textfragmentnotizen. Ende 2016 habe ich den Roman erneut unter strengeren, festgelegten Bedingungen „zerlesen und seziert“. Ich unterzog den Text mit Hilfe meines Konzepts einer etwas anderen Art der Textanalyse. Dabei interessierte mich nicht der ursprüngliche Inhalt sondern es wurden die knappen Sätze (1 bis 6 Wörter) dokumentiert. Danach wurden die Sätze mit Hilfe eines erstellten Programms (Jan Bunk) zu einer neuen Textsorte zusammengefügt. Diese generierten Zufallstexte wurden minimal oder gar nicht bearbeitet. Es entstanden neue inhaltlich-interpretierbare Texte, die noch mehr irritieren aber auch neue Bilder im Kopf auslösen und neue Teil-Geschichten erzählen. Das Alte löst sich auf, Neues entsteht.
Zum Projekt ist ein Raumkonzept entstanden, welches immer wieder veränder- und erweiterbar ist, ganz nach Salters „das ist natürlich bloß ein Spiel“.
Außerhalb dieses Projekts entstehen anhand meiner Textfragmentnotizen (Autoren bzw. gelesene und verarbeitete Literatur sind in den Einführungen zu den jeweiligen Art Diarys aufgelistet) weiterhin generierte Texte, die sich in meinen Bildern oder Künstlerbüchern wiederfinden.
die bittere Süße des Aufbruchs (Albert Camus)
experimentelle, prozessorientierte Arbeiten / Plastiken
In diesen experimentellen, prozessorientierten Arbeiten treffen der Schmerz über den Verlust, die Zerstörung mit der empfundenen Bitterkeit aber auch die Freude, die durch diesen Prozess des Aufbruchs Neues entstehen lässt, aufeinander. Die gefasste Entscheidung eines Neuaufbruchs ist Mittler, beflügelt zu Taten, verwandelt Bitterkeit in Süße. Eine Notwendigkeit für den Kreislauf einer Art künstlerischer Wiedergeburt.
so tief wie möglich in Leben, die nicht das eigene sind, vordringen (Albert Camus)
Installation, 2014, ca. 105x70x85 cm, gefundenes Material
These:
Big Brother (als weit gefasster Begriff) is watching you. Fiktion wird zur Wirklichkeit.
Jeder ist im Visier – ob Staat, Unternehmen oder Einzelperson. Die Datengier kennt keine Grenzen.
Wieviel möchte ich von meinem Leben, meinen Vorlieben, meinen persönlichen Daten und Kontakten preisgeben? Diese Frage sollte jeder selbst entscheiden können. Doch ist das in unserem Zeitalter überhaupt noch möglich?
Die PERFEKTION in der KUNST.
Durch Technik. I + II. 95 Thesen. Ein Laborversuch.
Wandobjekt, 2 Plastik-Fotovorhänge, gesamt ca. 180×180 cm, gefüllt mit 100 Mixed-Media-Text-Bildern (je ca. 16,5×15 cm).
Zum Werk ist eine Künstlerbuch-Dokumentation (Softcover, DIN A 4, 50 Seiten, Auflage 100) erhältlich.
Die These: Unsere Gesellschaft funktioniert nur durch Perfektion. Frühe Einflussnahme wird angestrebt und vermittelt. Es wird von jedem Einzelnen gefordert, seine Fehler zu erkennen und perfekt zum Wohle der Gesellschaft zu handeln und zu funktionieren. Der Wunsch nach dem ganzheitlich perfekten Selbst wird antrainiert. Schönheitsideale und Modetrends geben Richtlinien vor. Fehler haben keine Chance. Jeder Bereich wird perfektioniert.
Auch die Kunstwelt fordert die Vollkommenheit als Attraktor, erst dann sucht sie den Fehler als Kreator.
Ein Laborversuch hält Ergebnisse zum Thema „Die PERFEKTION in der KUNST. Durch TECHNIK.“ fest.
Der Laborversuch ist ein Selbstversuch und erstreckt sich über einen Zeitraum von 95 Tagen. Die Tagesergebnisse der Versuche, die eine Perfektionierung meiner künstlerischen Techniken erzwingen sollen, werden dokumentiert. Wortneuschöpfungen werden zu schrägen und abstrakten Thesen verknüpft. Sie verschmelzen mit ihrem Inhalt und dem collagiert-bearbeiteten Hintergrund, der für Technik, Kunst und Perfektion steht. Die 95 Thesen sind nicht durch eine Argumentation gestützt. Sie klagen an, behaupten oder stellen Fragen.
Der Laborversuch zeigt auf, dass PERFEKTION auch mit entsprechender TECHNIK nur angestrebt, aber von mir nie erreicht werden kann. Mein kopfgesteuerter Perfektionismus sieht die Welt mit Scheuklappen und zerstört meine INDIVIDUALITÄT und KREATIVITÄT, die vom Herzen kommen.
Beweise oder Widerlegungen sind zur Diskussion gestellt. Fehlersuche ist ausdrücklich erwünscht.
Nido
Installation – Wandobjekt, Obstkistchen ca. 30x20x11 cm
Eine Umsetzung zum Thema „Messies“:
Die Installation zeigt Nido’s Nest. Der Titel ist zugleich der Name der betroffenen Person, aber auch ein Wortspiel: il nido (italienisch) = das Nest, das Vogelnest. Nido liegt wie ein Embryo im Bauch der Mutter bzw. wie ein Ei in seinem Nest. Seine gehorteten Sachen geben ihm Schutz, Wärme und Geborgenheit. In der Installation ist Nido in einer Ecke dargestellt, denn sein Nest ist kein herkömmliches in dem man sich auf Dauer unbeschwert, wohl und frei fühlen kann. Nido’s Nest ist eine Last, die ihn in die Ecke seiner Wohnung bzw. an den Rand der Gesellschaft drückt.
ohne Titel
Installation, 2013, variabel ca. 145x210x162 cm: Beichtstuhl, Gewissensspiegel, Teppich, Paravents
These: Affären, Skandale, Missbrauch aller Art … Die Medien sind voll davon. Immer wieder. Immer wieder neu. Empörung von allen Seiten. Immer wieder. Immer wieder neu. Es geht um Ansehen, Prestige, Geld, Begierde, Macht … Alle sind korrupt, machen falsche Angaben …
Die Fehler der anderen stechen sofort ins Auge (Beichtstuhl beklebt mit Medienberichten). Selbstreflexion ist schwer, unbequem. Kann man sich selbst richtig einschätzen, wahr – nehmen (Gewissensspiegel / Spiegelfolie – man sieht sich nicht klar)? Was helfen Gewissens- / Beichtspiegeltexte, ethische Regeln und Gesetze (auf dem Rahmen des Gewissensspiegels collagiert), wenn sogar Repräsentanten der Kirche, des Staates oder der Gesellschaft nicht danach handeln?
Jeder Mensch ist fehlbar…
Der Beichtstuhl steht auf einem „Roten Teppich“. Die Farbe Rot steht für viele Assoziationen, positiv und negativ behaftete. Stars der Medienwelt schreiten über den roten Teppich und stellen / präsentieren sich der Öffentlichkeit (in der Installation wird der Rezipient zur Hauptperson). So ist auch eine Beichte (Begriff ist nicht nur auf das Sakrament beschränkt) zum einen ein sehr intimer Akt, zum anderen oft öffentlich z.B. durch die Medien, Soaps etc. zur Schau gestellt. Auch hier in der Installation: Der Besucher darf den Teppich betreten und sich vor dem Gewissensspiegel auf den Beichtstuhl setzen. Die leichten „Paravents“ sollen vermeintliche Intimität aber auch Öffentlichkeit widerspiegeln. Der „Brief an die Besucher“ an der Wand fordert mit einem Augenzwinkern zur Nutzung der Installation auf.
Unvollendbarkeit (Skandale wird es immer geben…) und momentane Bestandsaufnahme des Werkes (Quellen des Beichtstuhls wurden Der Zeit, der SZ und der AZ den Monaten April bis Juni 2013 entnommen) auf den ersten Blick, doch durch die Reflexion (gleichgültig ob durch reine Betrachtung oder Nutzung) wird der Rezipient zum Hauptbestandteil des Werkes und erreicht durch seine „Unterstützung“ (= IST-Situation des Betrachters, Betrachter ist Träger der neuesten Informationen, damit momentane Vollendung des Werkes) eine Erneuerung, d.h. es entsteht immer wieder eine Aktualität zum Zeitpunkt der Nutzung.